Aus den Tagebüchern eines weißen Tuchs 2/2

Meine Güte, habe ich was erlebt! Fliegen, Strapazen, Ernüchterung – von all diesen Dingen aus meinem letzten Bericht empfinde ich wahrlich nichts mehr! Ich durfte Sonne genießen, Sturm erleben und für die Crew in der Flaute jedes Lüftchen einfangen – ich bin ein Großsegel! 😉 Aber der Reihe nach:

Zwischen Quebec und Halifax konnte ich zwar ab und zu rausschauen, bin mir aber meistens vorgekommen wie im Flugzeug –  es war laut und hat vibriert! Aber dann, ab Halifax!!! 17 Tage lang durfte ich ununterbrochen frische Luft genießen. Mal mit voller Kraft, manchmal mit etwas weniger, aber stets mit vollem Einsatz schob ich den Peter über den Atlantik! Bei meistens bestem Wetter und wechselnden Gesprächspartnern mit teilweise komischen Namen (G1, G3, Klüver 1, Klüver 2, Fock, Nivea-Spi, Sturmspi) erfüllte ich endlich meine Berufung. Gegen die pralle Atlantiksonne half die Abkühlung durch den oft vorhandenen Nebel sehr gut. Lediglich leichte Rückenschmerzen plagen mich zuweilen – die Crew redet dann immer von einer meiner Segellatten… ?!?

Erschöpft von dem langen Einsatz kam mir etwas Erholung in Frankreich gerade recht, bevor wir uns wieder auf den Weg machten. Weiterhin von gutem Wetter verwöhnt, wurden wir an der Mooring vor Alderney ordentlich durchgeschüttelt und machten uns dann auf den Rückweg. Zwischen Dover und Borkum sah ich meine nette Reisebegleitung aus dem Flugzeug wieder – den Elli-Spi! Aktuell liegen wir auf Helgoland und warten auf etwas weniger Wind, um weiter Richtung Kiel segeln zu können – nach Hause!

Rasmus grüßen nicht vergessen⁩

„Wer im April über die Nordsee segelt, sollte seefest sein!“ Diese Aussage habe ich mehrmals gehört, bevor der Peter vor über 5 Monaten abgelegt hat. Den Berichten zufolge gab es Sonne satt und wenig bis keinen Wind. Wurde Rasmus gegrüßt und wenn ja mit was? Mittlerweile ist es September und wir segeln wieder über die Nordsee. Der Unterschied zu April: wir haben kaum bis gar keine Sonne, immer wieder Regen und viel bis zu viel Wind, sodass die Idee Rund England zu segeln schnell verworfen wurde. Jacob opfert sein Datenvolumen, damit wir unterwegs die Windvorhersagen checken können und wir warten im Hafen liegend auf das nächste Zeitfenster zum Segeln, damit wir auch ja püntklich am 16.9. zur Welcome Party in Kiel sind.

Ein Grund für diese Umstände könnte sein, dass wir vor lauter Freude, endlich wieder segeln zu dürfen, vergessen habe, Rasmus zu grüßen. Er hat es wohl nicht direkt gemerkt, da wir noch gutes Wetter hatten, als wir aus Le Havre ausliefen. Jetzt bekommen wir es zu spüren und versuchen ihn mit einem guten Portwein zu besänftigen.

Mal sehen, ob unsere Crew seefest ist …

Liebe Grüße vom Peter

Zieldurchlauf

Heute um 16:01 Uhr UTC haben wir die Ziellinie südlich von Eddystone Rocks überquert. Somit haben wir für die 2.153 nm von der Start zur Ziellinie 12 Tage 17 Stunden 26 Minuten und 58 Sekunden benötigt. Insgesamt haben wir seit unserem Ableger am 1. August in Halifax somit bereits 2.591 nm zurückgelegt.
Am letzten Tag im „Racemode“ konnte der Peter noch einmal zeigen was er kann. Bei wunderschönem Wetter und achterlichem Wind durchpflügten wir den Englischen Kanal mit bis zu 11,5 kn. Beim Überqueren der Ziellinie stießen wir nach Schleswig-Holsteiner Sitte mit Bier und Korn an und die Delfine sprangen vor Freude aus dem Wasser – insgesamt ein großartiges Gefühl.

Bei dieser Rauschefahrt am letzten Regattatag wurden die Kleidung und das Boot, die noch von der Nacht vom 15. auf den 16. August durchnässt waren, endlich wieder trocken. In dieser Nacht wurde dem Peter und seiner Crew unter doppelt gerefftem Groß und Fock einiges abverlangt. Die aufgepeitschte See ergoss sich bei bis zu 45 Knoten Wind leuchtend über das Deck und die Crew.
Das, von der Bugwelle erregte, Meeresleuchten ließ das Vorsegel im Dunkeln erleuchten und die über das Deck gepeitschte Gischt glich einem türkis-blauen Funkenhagel. Die Crew unter Deck hatte zwar das Leuchtspektakel verpasst, oder maximal aus den Fenstern beobachten können, aber dennoch die kühlende Nässe des Atlantiks hautnah miterleben können, da sie ihren Weg portionsweise durch die Lüfter fand.

Glücklicherweise ist die Warmfront recht zügig über uns hinweg gezogen und der Wind flaute wieder auf ein erträglicheres Maß ab. Ob das zügige Abklingen mit der ungewollten Opfergabe der Windex und des Adenauers zusammenhängt, kann nur vermutet werden.

Jetzt sind wir auf dem Weg nach Le Havre, wo wir vermutlich morgen Abend eintreffen werden. Besonders freuen wir uns alle auf die erste Dusche, den lokalen Waschsalon und das französische Essen.

Bis dahin,
eure Petercrew

An alle Mütter da draußen

Ja, wir…
…putzen uns immer Zähne
…kriegen genug Schlaf
…cremen uns immer ein (bis auf Jacob vielleicht)
…tragen immer Schwimmwesten
…picken uns immer ein
…ziehen immer genug warme Sachen an
…waschen auch unsere Klamotten (mehr oder weniger erfolgreich)
…essen regelmäßig und täglich drei Äpfel
…ziehen (ab und zu) immer frische Sachen an
…haben einen Arzt an Bord
…gehen nicht so spät ins Bett
…machen auch mal Pause
…haben genug Pflaster dabei
…räumen auch unsere Kojen auf (ergibt sich ganz von selbst durch Krängung)
…haben noch genug zu Essen und zu Trinken (ausser Bier, dafür haben wir umso mehr Spirituosen)
…melden uns, wenn wir da sind
…sind in 400sm im Ziel
…geben auf uns Acht

Und an alle Väter da draußen:
…alles gut!

Grüße an alle da draußen und Grüße an alle Geburtstagkinder inklusive unseres Schiffers

Die Crew

Irgendwie schon recht kitschig

Vom 11. auf den 12. August ist uns unser lieblings Konkurrent – die Rona II – leider deutlich aufgekommen. Der Grund dafür ist ein Tief, das von Westen über den Atlantik zieht und guten Wind mit sich bringt. Mit der Rona hätten wir eigentlich eh noch ein Hühnchen zu rupfen. Der Grund dafür ist das klingelnde Handy eines Rona Skippers während einer Schweigeminute beim Captainsdinner in Halifax. Nachdem er es zunächst gar nicht realisierte, stellte er sein Handy ab und kommentierte es mit vorwurfsvollem Unterton: „Peter von Danzig!“. Alle Augen waren auf uns gerichtet und zumindest an unserem Tisch führte dies zu einigem Gelächter. Wie bitte soll man darauf reagieren?

Am Nachmittag des 12. August hat uns also auch endlich der Wind, der zunächst aus südwestlicher Richtung kam, erreicht. Bei bedecktem Himmel fuhren wir mit bis zu 10,5 Knoten unter Doublehead durch die Nacht. Diese war sehr dunkel, sodass das uns umgebende Meeresleuchten deutlich zur Geltung kam. Das Bild erinnerte etwas an diese kitschigen Bilder vom Flohmarkt mit Glitzer, Regenbogen und Einhorn. Um Mitternacht gab es dann bei leichtem Regen einen Geburtstagskuchen für Enno. Dazu sangen wir alle „Heute kann es regnen, stürmen oder schnein…“ und anschließend „O Tannenbaum“ – warum auch immer. Der Schnee ist zum Glück ausgeblieben.

In den frühen Morgenstunden konnten wir dann, bei wunderbarem Sonnenschein und angenehmen Wind, den Sturmspi setzen. Seither segeln wir zwar mit etwas schwächerem Wind als in der Nacht, fiebern aber einem Etmal (Zurückgelegte Meilen in 24 Stunden) von über 200 Meilen entgegen.

Soweit,
eure Petercrew

Stimmen aus der Crew

Wir haben endlich Welle und Regen, alles ist feucht. Der Nordatlantik grüßt: grau, feucht, Dünung, Welle, Wind. Es bummst ganz schön und es ist recht grau. Segelstauen wird zu einer olfaktorischen Herausforderung. Auch wenn es so aussieht, ICH habe nicht ins Bett gemacht. Mit anderen Worten es leckt in die Mädchenkammer. Langsam werde ich eins mit meinem Leesegel. Mein Arm schläft auf Steuerbordbug ständig ein.
Es grüßt die Fremde. Das Geistige kommt hier zu kurz.

Schöne Grüße von der Crew

Kaiserwetter

Kurz nach unserem letzten Blog Eintrag kam er dann, der Rechtsdreher. Seither fahren wir mit der, immer noch haltenden, G1, mit etwa 8 kn Fahrt und erstaunlich flachem Wasser, unserem Routing hinterher.

Im Nebel des gestrigen Tages wurden wir immer wieder von Vögeln, Delfinen und sogar einem Wal eskortiert. Gegen Abend klarte die Sicht deutlich auf und wir hatten eine fantastische Nacht. Der nahezu volle Mond ließ die Segel in Nacht so hell erleuchten, dass die Segelstellung ohne Kopflampe kontrolliert werden konnte. Gekrönt wurden die Nachtwachen durch die eine oder andere Schnuppe-Stern.

Der hell erleuchteten Nacht ging bereits ein Highlight über Tag voraus. Tobi stellte das wohl leckerste Brot, das je auf dem Peter gebacken wurde, her. Dieses Brot stand dem eines Bäckermeisters in keinster Weise hinterher.
Einen Meilenstein unserer Etappe haben wir mit der Zeitumstellung der Bordzeit erfasst. Die Uhren wurden von 10:00 Uhr (US Atlantic) auf 11:00 Uhr (Mittelatlantik) vorgestellt und so fühlen uns damit dem Ziel schon deutlich näher. Im Verlauf des heutigen Nachmittags soll der Wind dann weiter auf 15 bis 20 kn zunehmen und wir hoffen unsere Geschwindigkeit gleichermaßen steigern zu können. Insbesondere sind wir auf die nächste Positionsmeldung der anderen Schiffe um 14:00 Uhr UTC gespannt.

Es grüßt euch die Petercrew von 46°58’N 50°55’W

Irgendwie alles Klo

Nach etwa 20 Stunden im Schlepp der Gulden Leeuw aka. Race Control spielte sich eine gewisse Schlepproutine in der Crew ein. Die allgemeine Entspanntheit wurde allerdings unterbrochen, als die Klopumpe spontan ihren Dienst einstellte. Warten, Gutes Zureden und Beten half alles nichts, irgendetwas blockiert das Rohr. Während ein Teil der Crew sich mit der astronomischen Navigation beschäftigte, spielte der andre Teil mit dem Entwässerungssystem des PvD. Als sich nach der Zerlegung der Klopumpe und des Zweiwegehahns immer noch nichts rührte, mussten größere Geschosse aufgefahren werden. So wurde das Ventil am Bordauslass geschlossen und mit der Lenzpumpe Gegendruck aufgebaut. Der Plan ging voll auf, mit einem leisen Knall löste sich die Verstopfung und der Inhalt des Rohres verteilte sich homogen im Waschraum. Unglücklicherweise befand sich ein Crewmitglied zur Erfolgskontrolle eben in diesem Raum und sah es kommen…

Also wurde die Schleppverbindung getrennt und eine Badung und ein ausgiebiger Bootsputz durchgeführt – Kommentar der Gulden Leeuw: „It happens everywhere“ und „you are very entertaining“. Die letzten 15 Meilen zur Startlinie legten wir dann aus eigener Kraft zurück.

20:00 Uhr UTC, die Startlinie rückt näher, die Spannung steigt. Bei schwachem Wind soll die G1 gesetzt werden. Plötzlich hören wir ein sehr unschönes Geräusch. Der Vorliekstreifen der G1 ist im Kopfbereich auf etwa 20 cm eingerissen. Der Startvorgang wird abgebrochen und es werden Pläne geschmiedet wie das Segel repariert werden kann. Die Segelreparaturen zogen sich bis spät in die Nacht. Da wir es einfach nicht mehr ausgehalten haben sind wir dann doch um 22:34:11 Uhr UTC mit der G3 gestartet. Um 23:30 Uhr UTC konnte dann auch die Reparaturcrew einen Erfolg vermelden und das große am Wind Segel wurde gesetzt. Jetzt um 12:36 Uhr UTC segelt die Crew bei guter Stimmung und Geschwindigkeit, und hoffen auf den angekündigten Rechts-Dreher.

Schöne Grüße, die Crew